Home » Aktuelles »Diesel »Events »Kultur »Literatur »Uncategorized » Currently Reading:

Die Welt im Jahr 2264 – Holly-Jane Rahlens zu Gast am RDG

Mai 29, 2016 Aktuelles, Diesel, Events, Kultur, Literatur, Uncategorized No Comments

Montag, fünfte Stunde, Aula. Autorenlesung und alles voll besetzt mit Neuntklässlern, die doch lieber woanders wären, als wieder etwas aus einem „Buch“ vorgelesen zu bekommen. Auf der Theaterbühne, die jetzt als Vorlesepodium dient, eine mittelgroße, bebrillte Frau mittleren Alters, bereit anzufangen: Holly-Jane Rahlens stellt sie sich mit leicht amerikanischen Akzent vor und wird sogleich applaudierend begrüßt.

Rahlens

Im Gepäck hat sie ein rosa eingebundenes Buch, eines ihrer jüngeren Schriftstücke: Everlasting. Frau Rahlens weist uns schnell in die futuristische Welt des Jahres 2264 ein und schon startet sie die Vorlesung mit dem Vermerk, dass das Buch aufgrund seines Einbandes, sich nicht nur femininer Leser erfreut, sondern auch für Jungs geeignet sei.

Der Inhalt:

Liegt in diesen uralten Tagebüchern ein Geheimnis, das die Menschheit retten kann?“ Das fragt sich Finn, nachdem er die 200 Jahre alten Bücher in einem Koffer in Greifswald zu Gesicht bekommen hat. Denn Finn lebt in einer anderen Zeit als man vermutet – im Jahr 2264.

Doch davor müssen wir ein bisschen zurückspulen. Im Jahr 2018 begann ein langer Winter. Diese Zeitspanne ist deswegen als „Winter“ bekannt, weil sich ein tödlicher Virus verbreitete, der dafür sorgte, dass Millionen von Menschen ihr Leben verloren. Zum Ende des „Winters“ war der Virus dann wieder verschwunden. Infolge dessen ist die Weltbevölkerung problematisch klein geschrumpft.

Seitdem hat die Wissenschaft unglaubliche Fortschritte gemacht, da die Menschen einen Zugang zum weltweiten Wissen durch einen Chip in ihrem Gehirn haben, welcher ihnen ermöglicht, die digitale Welt wahrzunehmen.

Jedoch sind manche Kulturen und Sprachen im europäischen Bereich vergessen, auch die deutsche Sprache. Das Lesen und Schreiben ist ebenfalls ein Teil der „Antike“ für die Menschen im Jahre 2264. Deswegen haben die Menschen auch das Lesen und Schreiben verlernt. Finn Nordstorm, ein junger Historiker und Sprachwissenschaftler, aber ist einer der wenigen, der die tote Sprache Deutsch noch beherrscht.

Die Geschichte fängt an, als in Greifswald ein Koffer voller Bücher gefunden wird. Finn wird beauftragt die Bücher unter die Lupe zu nehmen, da sie auf Deutsch verfasst sind. Als einziger Deutschsprachiger freut sich Finn, anhand der Bücher Informationen über die Vergangenheit erhalten zu können. Bei der näheren Analyse findet Finn heraus, dass die Bücher Tagebücher von einem Mädchen sind, das im Jahr 2003/2004 in Berlin lebte. Doch kurze Zeit Zeit später bemerkt er auch, dass die Tagebücher nach Parfum riechen. Bei der Lektüre findet er heraus, dass das Parfum „EVER LASTING“ heißt.

Als ob das noch nicht spannend und aufwändig genug wäre, muss er auch noch beruflich an einem Virtual-Reality-Spiel teilnehmen. Was er aber nicht weiß: Dabei handelt es sich um ein geheimes Experiment. Denn das Spiel, in das man mit seinem Bewusstsein in das Leben aus dem 21. Jahrhundert reist, um herauszufinden, wie das Leben damals war, ist in Wirklichkeit eine Zeitmaschine. Dabei trifft er die Verfasserin des Tagebuches, das er zu Hause hat. Jedoch ist sie kein junges Mädchen mehr, sondern eine 20-jährige Frau, die eine Angestellte in einer Bibliothek ist. In diesem Moment überkommt ihn, durch den Anblick der hübschen Frau vor ihm und den „Ever Lasting“ Duft, ein unbekanntes, einzigartiges Gefühl…

Mit einzelnen spannungsbeflügelnden Pausen, gefüllt von Erklärungen zu ihren Ideen zum Buch, schafft Holly-Jane Rahlens es hierbei, auch die letzten Schlafmützen in ihre futuristische Welt mitzunehmen. Eine futuristische Welt, die jedoch, wie sie uns erklärt, eine andere Zukunftsvorstellung, die sich von atomar verseuchten oder außerirdisch kolonialisierten abhebt und in gewisser Weise ihre eigene wider spiegelt. Eine Zukunftsvorstellung, die freie Meinung respektiert, die auch nach einer großen Katastrophe noch intakt ist, aber eine, die unter Katastrophen und technischen Fortschritten verlernt hat zu lieben.

In einer abschließenden Fragerunde wird klar, dass diese Autorin, die wohlgemerkt auf Deutsch publiziert, wohl eher einen ungewöhnlichen Werdegang hinter sich hat. So ist Berlin ihre neue Wahlheimat, aufgewachsen ist sie in den Staaten und wegen ihrer Liebe nach Deutschland emigriert. Zu guter Letzt darf sich noch einer freuen: Pascal W. gewinnt Everlasting in einem schicken gelben, jungstauglichen Einband.

Everlasting ist 430 Seiten lang, 2012 erschienen und im Rowohlt/Wunderlich Verlag für ca. zehn Euro erhältlich.

Persönliches Fazit: Lang, aber gelungen.

Burak, Maurizio

(beide 9a)

 

Bildrechte: Wolfgang Burckhardt

Comment on this Article: