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Neues von Herrn Lauris aus ‏قطر‎

April 7, 2014 Aktuelles, Diesel No Comments

laurisHerr Lauris – ein vermisster Lehrer, der neun Jahre lang am RDG als Lehrer für Deutsch, Französisch und Spanisch tätig war – arbeitet seit dem laufenden Schuljahr an der Deutschen Internationalen Schule Doha im arabischen Katar. Arabien – ein Raum, der sich von Europa in Kultur, Landschaft und Vielem mehr unterscheidet…

Dieselpartikel steht immer noch in Kontakt mit Herrn Lauris; uns hat interessiert, wie er es dort aushält und haben ihm ein paar Fragen gestellt:

DP: Fühlen Sie sich wohl, werden Sie als „Weißer“/Europäer von der Gesellschaft in Katar angenommen?

Ja, durchaus. Es handelt sich um eine sehr offene Gesellschaft. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind Ausländer. Man hat eigentlich gar nicht das Gefühl, ein Ausländer zu sein. Die Bezeichnung „Expatriate“ passt da schon eher. Im Grunde ist das hier eine große Multi-Kulti-Mischung, die soweit auch ganz gut funktioniert.

DP: Wird eine westliche Frau in der Gesellschaft akzeptiert, gibt es da Probleme?

Nein, keine Probleme. Ja, selbstverständlich wird sie ganz normal akzeptiert. Einmal davon abgesehen, dass Frauen hier in der Regel keine zu knappen Kleider tragen, können sie sich hier eigentlich völlig frei bewegen und werden ganz normal behandelt wie in Europa auch.

DP: Was sind besondere Erlebnisse, die Sie bereits in Katar hatten?

Man sieht und erlebt hier eigentlich viel Interessantes. Interessant ist zum Beispiel die Wüste, aus der Katar ja im Wesentlichen besteht. Und interessant ist auch, wie die Kataris es schaffen, mitten in dieser staubtrockenen Wüste eine große, ganz normale Stadt zu bauen, die eine große kulturelle Vielfalt bietet.

DP: Vermissen Sie etwas in Katar?

Ja, man vermisst schon gelegentlich „unsere“ mitteleuropäischen grünen Felder und Wälder. Und man vermisst manchmal auch bestimmte nützliche Details wie z.B. einen Baumarkt, einen guten Friseur oder die Postzustellung von Haus zu Haus – oder natürlich einen funktionierenden ÖPNV, der hier erst im Aufbau ist. Davon abgesehen gibt es hier aber so ziemlich alles, was man zum Leben braucht. Das Klima ist im Sommer eher anstrengend (schwülheiß), im Winter dafür aber recht angenehm.

DP: Mussten Sie sich in Ihrem Lebensstil umgewöhnen?

Ja, ich trage jetzt einen ungefähr 70 cm langen Kinnbart. Nein, Spaß! Ich musste mich in Bezug auf Kleidung und Lebensstil eigentlich nicht umgewöhnen. Jeder lebt einfach seinen Lebensstil hier.

DP: Kennen Sie irgendwelche typischen katarischen Witze?

Nein, sorry! Dafür kann ich auch noch nicht gut genug Arabisch (… versuche aber gerade, es zu lernen).

DP: Wie muss man sich die Landschaft in Katar vorstellen?

wüste_katarSehr karg! Es handelt sich eben einfach um einen Wüstenstaat, in dem es nur selten und wenig regnet, in dem also normalerweise auch nur sehr spärlich Pflanzen wachsen und in dem es dann logischerweise auch kaum Gewässer wie Flüsse und Seen gibt. Folglich muss das Wasser aus dem Meer gewonnen, also „entsalzt“ werden. Für das Trinkwasser wird das Wasser dann noch zusätzlich mit Mineralien angereichert. Die Kataris bewässern natürlich auch gerne und viel, damit es hier – vor allem in Doha – nicht gar so nach Wüste aussieht, sondern vielmehr nach einer ganz normalen Stadt (siehe z.B. mein Foto vom Aspire Park unten: Der Rasen ist wirklich tip top!).

DP: Lässt sich die Kultur des Landes in wenigen Worten charakterisieren?

Wie schon erwähnt ist das hier ein regelrechter „Melting Pot“ aus verschiedensten Kulturen. Hier treffen westlicher und östlicher Lebens- und Baustil friedlich-fröhlich-fruchtbar aufeinander – und hier leben sehr viele Menschen aus dem nahen Indien und anderen Nachbarstaaten, insbesondere auch aus den arabischen Staaten wie z.B. Oman, Irak, Jordanien, Ägypten etc.

DP: Wie sehen diese typischen Wüsten-Hütten eigentlich aus?

Viele alte Wüsten-Hütten darf man hier nicht erwarten (dazu sind die Kataris auch einfach zu wohlhabend). Es genügt, bei der Google-Bildersuche einmal „Doha“ einzutippen um zu sehen, dass diese Stadt optisch eher einer asiatischen Boomtown ähnelt als einer alten Beduinenstadt. Ecken mit historischem Baustil gibt es trotzdem, z. B. den schönen alten „Souk“ (arabisches Wort für „Markt“). Insgesamt gefällt mir die Architektur sehr gut, weil sie sehr abwechslungsreich ist. Man stellt hier auch nicht einfach Betonklotz neben Betonklotz: Jede Fassade ist anders, enthält kleine oder große Ornamente in irgendeiner Form – und dennoch (oder gerade deshalb) ist der Baustil nie wirklich protzig-pompös, sondern er wirkt eher dezent, bescheiden.

Bildrechte erworben bei: Stocklib.de

 

 

 

DP: Könnten Sie uns ein Foto von Ihnen mit „katarischem Hintergrund“ zusenden?

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Ich vergesse eigentlich immer, Fotos von mir selbst zu machen. Neulich habe ich aber zufällig mal ein Foto von mir selbst machen lassen. Das war im „Aspire Park“ (im Hintergrund die „Torch„, höchstes Gebäude der Stadt), in dem der FC Bayern und Schalke 04 in den vergangenen Jahren jeweils ihr Winter-Trainingslager durchgeführt haben. Der Anlass war am der „National Sports Day“, dem 11. Februar, ein Nationalfeiertag nach indischem Vorbild, an dem in der ganzen Stadt kostenlose Sportmöglichkeiten für die Bürger zur Verfügung stehen, damit die sich mal bewegen. Fahrradfahren o.ä. ist hier nämlich out, wäre auch Selbstmord bei dem mörderischen Verkehr!

 

DP: Wie gefällt Ihnen die Arbeit an der Deutschen Internationalen Schule Doha?

Die Arbeit an einer Auslandsschule ist sehr interessant, aber nicht immer ein Honigschlecken. Das ist teilweise ein richtig harter Job, denn die Bedingungen an einer Auslandsschule sind meistens ganz speziell – und nicht ohne Weiteres mit den Bedingungen an einer staatlichen Schule in Deutschland vergleichbar. Da muss der Einzelne dann eben auch mal mehr leisten. Positiv bzw. angenehm ist aber vor allem die geradezu „familiäre“ Atmosphäre innerhalb der Schule angesichts der (momentan noch) überwiegend kleinen Klassen. Man kann sich dann einfach auch mehr Zeit für den einzelnen Schüler bzw. seine Bedürfnisse und Probleme nehmen.

DP: Man hört hin und wieder von verschiedenen Problemen auf Baustellen in Doha …

Das zu bewerten bzw. dazu Genaues zu sagen, ist nicht einfach – auch wenn man vor Ort lebt. Man bekommt ja auch nicht alles mit, denn die Baustellen liegen teilweise außerhalb der Stadt – und man hat ja auch nicht die Zeit, das genauer zu beobachten. Was man aber sieht: Viele Gastarbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal etc. auf den Baustellen. Das Arbeitstempo ist manchmal sehr gemütlich. Davon abgesehen wird hier aber nach westlichen Standards gebaut. Vor allem auch die Sicherheitsstandards bezüglich der Arbeitskleidung werden eingehalten: Alle tragen vorschriftsmäßig Helm, Arbeitsstiefel etc. Im Sommer schwitzt man da – bei den irre Temperaturen – dann natürlich doppelt.

Man hört und liest (auch hier in den Medien): Es gibt zwar Mindestlöhne, die sind – im Vergleich zu westlichen Maßstäben – aber eher niedrig. Gehälter werden oft monatelang nicht bezahlt – von den Subunternehmern, die wiederum von den internationalen Baufirmen beauftragt werden. Aber: Die Kataris besitzen die Baufirmen in der Regel nicht selbst. Ihnen allein die Schuld an den Problemen zu geben, ist also nicht ganz logisch.

Das Problem ist wohl eher das undurchsichtige Subunternehmer-Gestrüpp. Diese Problematik kennt man ja auch in Deutschland und anderswo. Die katarischen Behörden versuchen mit verschiedenen Maßnahmen dagegen vorzugehen, aktuell beispielsweise mit der gesetzlichen Regelung, dass die Gehälter für die Arbeiter nur noch per Überweisung auf ein Bankkonto bezahlt werden dürfen, damit das von staatlicher Seite besser zu kontrollieren ist. Ein aktueller Artikel zum Thema (hier klicken)

Fakt ist auch: Es wird an allen Ecken und Enden gebaut – und das mit einem irren Tempo. Das Stadtbild ist geprägt von Baustellen. Im Norden wird mal eben ein neuer Stadtteil (Lusail) aus dem Boden gestampft. Metro-Linien werden in den Untergrund gegraben und die neuen Stadien für die WM 2022 sind auch bereits im Entstehen.

Zusammengefasst: Es mag Probleme geben – aber ich bin mir sicher, dass die Kataris ihre Hausaufgaben machen werden. Darin sind sie eigentlich ganz gut. Und es ist auch nicht so, dass die Probleme verschwiegen werden – ganz im Gegenteil: Es wird auch in der lokalen Presse darüber gesprochen, so beispielsweise in folgendem Artikel in der „Doha News“ ( Link ), der mit einem Statement des Qatar Supreme Committee endet: “We know that there are issues. The country is not hiding anything, and it is good that everything is reported. While this process of change is not something that can be achieved overnight, we have the will and the commitment to see it through.”

DP: Wir bedanken uns für die ausführlichen Informationen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in Doha!

Samuel Menacher

Links:

Selbstgemachte Fotos von der Wüstenlandschaft (ein Projekt der 10. Klasse der Deutschen Internationalen Schule Doha)

allgemeine Informationen über Katar (Wikipedia)

Bildrechte: Daniel Lauris, Samuel Menacher, Stocklib

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